Skip to main content

K.O.-Mittel /
K.O.-Tropfen

Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über das Thema „K.O.-Mittel / K.O.-Tropfen” gegeben. Eine ausführliche Behandlung dieses Problemkreises finden Sie in einem Artikel des SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis des Bundesministeriums für Inneres.

1 – Problemstellung

In den letzten Jahren wird zunehmend über die Anwendung von potentiell beeinträchtigend wirkenden Substanzen bei strafbaren Handlungen berichtet, beispielsweise bei Sexualdelikten, Raub, der „Ruhigstellung“ von Kleinkindern oder der negativen Beeinflussung der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Die bei derartigen Delikten missbräuchlich einsetzbaren Substanzen werden umgangssprachlich als „K.O.-Mittel“ („K.O.-Tropfen“) subsumiert.

Mit der Verabreichung eines „K.O.-Mittels“ will der Täter beim Opfer einen Zustand der Wehrlosigkeit auslösen. Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen werden gedämpft, mitunter kommt es (initial) zu Enthemmung, Kontrollverlust, Wahrnehmungsstörungen, Angstminderung und einer Steigerung der sexuellen Appetenz. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Muskelentspannung, Gangstörungen und andere Beschwerden können auftreten. Die Auslösung eines über Stunden andauernden Zustandes massiver Benommenheit bis hin zu tiefem Schlaf ist möglich, wenngleich ein tatsächliches „K.O.“ des Opfers aus Tätersicht nicht immer vorrangig ist. Bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol, Drogen oder Medikamenten können aufgrund von Wirkungsverstärkungen bereits sehr geringe Dosierungen von „K.O.-Mitteln“ zu starken Beeinträchtigungen führen. Bei Überdosierung, insbesondere in Fällen des Mischkonsums, können lebensbedrohliche Wirkungen auftreten. Die Rekonstruktion eines „K.O.-Mittel“-Falls kann dadurch erschwert werden, dass nach Abklingen der Substanzwirkung die Erinnerung an den Vorfall nicht oder nur Bruchstückhaft möglich ist („Filmriss“).

„K.O.-Mittel“ werden typischerweise über manipulierte Getränke zugeführt. Das Erkennen einer derartigen Manipulation ist für das Opfer schwierig, da es mitunter zu keiner wesentlichen Änderung der Farbe, des Geruchs oder des Geschmacks des Getränks kommt. Beeinträchtigungen können auch durch das Einatmen bestimmter flüchtiger Substanzen herbeigeführt werden. Da letzteres aber ein heutzutage vergleichsweise seltenes „K.O.-Mittel“-Deliktszenario ist, wird dieser Aspekt hier nicht weiter behandelt.

Die Abklärung einer mutmaßlichen Aufnahme eines „K.O.-Mittels“ ist mit der Untersuchung von zeitnah nach dem Vorfall abgenommen Körperflüssigkeiten möglich. Im Fall von mehreren Wochen zurückliegenden Vorfällen und insbesondere bei wiederholter Substanzaufnahme kann eine Haaranalyse zielführend sein. Der Bearbeitungsaufwand und damit die Kosten sind bei „K.O.-Mittel“-Fällen im Wesentlichen vom Untersuchungsumfang, der Art und Anzahl der Proben sowie dem Ausmaß der erforderlichen toxikologischen Beurteilung abhängig.

2 – Substanzspektrum

In den Medien wird häufig gamma-Hydroxybuttersäure als Inhaltsstoff von „K.O.-Mitteln“ genannt, weshalb in Abschnitt 5 separat auf diese Substanz eingegangen wird. Allerdings, der Begriff „K.O.-Mittel“ definiert keine einzelne chemische Substanz. Vielmehr sind weit über 100 Wirkstoffe missbräuchlich als „K.O.-Mittel“ einsetzbar. Den Substanzen gemeinsam ist eine Wirkung auf das Zentralnervensystem. Das infrage kommende Substanzspektrum setzt sich daher einerseits aus Medikamenten-Wirkstoffen, insbesondere Benzodiazepine, Neuroleptika, Antidepressiva, sedierend wirkende Antihistaminika und Schmerzmittel vom Opiat/Opioid-Typ, zusammen, andererseits aus Missbrauchsdrogen natürlichen und synthetischen Ursprungs. Sofern aufgrund der Begleitumstände des Falls ein konkreter Hinweis auf die mutmaßlich aufgenommene Substanz vorliegt (z.B. Untersuchungsergebnis eines sichergestellten Getränks), mag eine zielgerichtete Untersuchung von Körperflüssigkeiten bzw. Haaren auf diese Substanz ausreichend sein. Andernfalls sind umfangreiche Untersuchungen anzuraten. Hierbei hat es sich als zweckmäßig erwiesen auch auf das Vorhandensein von Substanzen zu prüfen, die bewusst zur Berauschung aufgenommen worden sein könnten. Literaturangaben und eigenen Erfahrungen zufolge sind nämlich in einer nicht geringen Zahl von Fällen mutmaßlicher „K.O.-Mittel“-Verabreichungen die beobachteten bzw. geschilderten Auffälligkeiten mit der Wirkung von bewusst aufgenommenen berauschend wirkenden Substanzen erklärbar.

3 – Probenmaterial

Das Zeitfenster der Nachweisbarkeit von Wirkstoffen in Körperflüssigkeiten ist im Wesentlichen durch Substanz-spezifische Eigenschaften, den Stoffwechsel sowie die aufgenommene Menge bestimmt. Die Beweismittelsicherung erfordert rasches Handeln, da von nicht wenigen Fällen auszugehen ist, bei denen eine Substanzverabreichung aufgrund ausbleibender oder zu später Sicherstellung von Probenmaterial nicht mehr geklärt werden konnte. Im Blut ist ein Nachweis in der Regel nur möglich, wenn die Blutabnahme nicht später als einen Tag nach der Substanzaufnahme erfolgt. Bei kurzwirksamen Substanzen bzw. niedriger Dosierung kann das Nachweisfenster auf nur wenige Stunden verringert sein. Die Nachweisbarkeit der Substanzen ist hierbei nicht wesentlich von der Art des abgenommenen Blutes beeinflusst; typischerweise erfolgt die Untersuchung aus Plasma oder Serum. Im Urin ist das Nachweisfenster gegenüber Blut verlängert und positive Nachweise können nach einmaliger Verabreichung auch noch etwa zwei Tage nach der Aufnahme möglich sein. Aber auch hier kann das Nachweisfenster unter Umständen deutlich kürzer sein.

Die Untersuchung einer Haarprobe ist dann zweckmäßig, wenn aufgrund eines länger zurückliegenden Vorfalls eine Untersuchung von Blut bzw. Urin als nicht mehr zielführend erachtet wird. Aufgenommene Substanzen werden zu einem geringen Anteil in wachsende Haare eingelagert. Allerdings korreliert die Wahrscheinlichkeit eines positiven Nachweises im Haar mit der aufgenommenen Substanzmenge und es werden nicht alle Substanzen in gleichem Ausmaß eingelagert. Bei fehlendem Substanznachweis im Haar kann daher eine einmalige Aufnahme prinzipiell nie ausgeschlossen werden. Für die Untersuchung ist Kopfhaar zu bevorzugen. Die Probenahme ist erst mehrere Wochen nach dem Zeitpunkt des Vorfalls durchzuführen und die Haare sind dann möglichst nahe der Kopfhaut abzuschneiden (Resthaarlänge unter 2mm). In diesem Zeitraum sollten die Haare bis auf die übliche Haarwäsche nicht kosmetisch behandelt werden (kein Bleichen, Färben, Tönen, Dauerwelle, etc.), da hierdurch der Nachweis einer nur einmaligen Substanzaufnahme erschwert werden kann. Weiterführende Informationen sind den Informationsblättern zur Haaranalyse zu entnehmen.

4 – Untersuchungsverfahren

Bei der Interpretation eines immunchemischen „Drogenscreening“-Befunds ist zu berücksichtigen, dass für viele der infrage kommenden „K.O.-Mittel“-Substanzen keine immunchemischen Tests verfügbar sind. Darüber hinaus ist bei den erfassbaren Parametern die Messempfindlichkeit mitunter nicht ausreichend, um noch geringste Spuren der Wirksubstanzen zu erfassen. Umfangreichere und entsprechend empfindliche Untersuchungen sind nur mit Substanz-identifizierenden Analysenverfahren möglich („beweisendes Verfahren“, „Bestätigungsanalyse“, „Referenzverfahren“). Die eingesetzten Methoden sollten nach Möglichkeit noch weit untertherapeutische Konzentrationen erfassen können, um dadurch das Nachweisfenster möglichst groß werden zu lassen. Die höchste Nachweisempfindlichkeit für Missbrauchsdrogen und Medikamentenwirkstoffe wird in der Regel mit Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gekoppelt mit Tandem-Massenspektrometrie erreicht. Für die Bestimmung von Trinkalkohol und anderer flüchtiger Substanzen werden gaschromatographische Verfahren eingesetzt.

Mit Hilfe von Substanz-identifizierenden Analysenverfahren ist eine quantitative Bestimmung einzelner Substanzen möglich und damit auch eine toxikologische Beurteilung des Befundes. Im Rahmen von rechtsrelevanten Fragestellungen ist der Einsatz derartiger Untersuchungsmethoden zwingend erforderlich, um die, gegenüber immunchemischen Verfahren, notwendige Sicherheit eines positiven Substanznachweises zu gewährleisten.